Siegert: „Diese Idee ist eine schlechte politische Plattitüde. Auch der Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg ist an Recht und Gesetz gebunden.“
Unter anderem in einem Gespräch bei der „langen Nacht der ZEIT“ am 2. Juli 2022 hat Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher angekündigt, die Anzahl der Windräder in Hamburg auf rund 140 Anlagen verdoppeln zu wollen. Dabei wolle er auch Naturschutzgebiete in Anspruch nehmen. Der NABU-Landesvorsitzende Malte Siegert kommentiert die Idee des Ersten Bürgermeisters wie folgt:
„Statt machbare, gute Lösung im Rahmen der wichtigen energetischen Transformation und Energieunabhängigkeit zu verfolgen, präsentiert der Bürgermeister mit seinem Plan, auch Naturschutzgebiete mit Windenergieanlagen bebauen zu wollen, erneut eine schlechte politische Plattitüde. Im Rahmen des Osterpakets vom grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck wurde vor wenigen Tagen das Bundesnaturschutzgesetz geändert, um unter anderem die Bebauung von Landschaftsschutzgebieten (LSG) mit Windenergieanlagen zu ermöglichen. Dass vielerorts allein die Schwächung dieser Schutzkategorie LSG zu einer weiteren schweren Belastung der Artenvielfalt führen wird, ist bedauerlich, aber angesichts der dramatischen Herausforderungen durch Krieg und Klimawandel teilweise unvermeidlich. Der neuerliche Vorstoß von Bürgermeister Peter Tschentscher, jetzt in Hamburg Windenergieanlagen in Naturschutzgebiete (NSG) bauen zu wollen, ist aber nach Bundesnaturschutzgesetz ausgeschlossen. Entsprechend bleibt diese Idee falsch und wird durch Wiederholung nicht richtiger. Denn: auch der Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg ist an Recht und Gesetz gebunden und kann die Gesetzeslage nicht ignorieren. Sie ist zudem für den Diskurs um Möglichkeiten der energetischen Transformation völlig überflüssig. Denn Naturschutzgebiete heißen Naturschutzgebiete, weil in ihnen die Natur geschützt werden soll. Dazu gehören, neben der Versiegelung von Böden, im Regelfall schützenswerte Vögel, Fledermäuse und Insekten, die von den riesigen Windenergieanlagen bedroht werden.
Es ist angesichts der verheerenden Folgen von 150 Jahren Industrialisierung und Globalisierung schlimm genug, dass die Natur explizit vor dem Menschen geschützt werden muss. Jetzt wegen des Klimawandels den Reparaturbetrieb für diese menschengemachte Fehlentwicklung ausgerechnet wieder in der Rest-Natur veranstalten zu wollen, zeigt leider, dass der Schutz von Umwelt und Natur politische Verschiebemasse für andere Begehrlichkeiten ist. Wohin uns das gebracht hat, können wir an der dramatischen Veränderung des Klimas ablesen. Besser wäre, schnell vor allem sinnvolle und machbare Lösungen umzusetzen, die sich aktuell aufdrängen. Angesichts der dauerhaften Stagnation des Containerumschlags gehört dazu eine radikale Neuausrichtung des Hamburger Hafens. So eine Strategie verfolgt die Bundesregierung, die angesichts von Klimawandel und Versorgungssicherheit die deutschen Häfen zu „Energiehäfen“ transformieren will, in denen sowohl Wasserstoff umgeschlagen als auch produziert werden soll. In Hamburg bietet sich vor allem der mittlere Freihafen an. Besonders auf der Kattwyk-Halbinsel, der Hohen Schar oder auf dem alten Kraftwerksgelände Moorburg gibt es zahlreiche Möglichkeiten auf Industrieflächen, Windenergie- und großflächige Photovoltaikanlagen zu installieren, die auch eine direkte Umwandlung vor Ort in Wasserstoff erlauben. Der Hamburger Senat verfolgt aber lieber eine völlig veraltete Flächen- und Verkehrsinfrastrukturpolitik für den Hamburger Hafen, die eine der „Zeitenwende“ angemessene mutige Neuausrichtung des Hafens blockiert. Auch der Bürgermeister scheut offenbar, sich mit der mächtigen maritimen Wirtschaft auseinandersetzten. Einfacher ist es, Natur in Anspruch zu nehmen.“