Rund 16 Monate nach Neuaufstellung der Beschwerdestelle bei der Polizei Hamburg (BMDA) zum 1. März 2021 hat diese ihren Tätigkeitsbericht für das erste Jahr vorgelegt. Dieser macht deutlich, auf welch große Resonanz die neue Beschwerdestelle bereits im ersten Jahr sowohl innerhalb der Polizei Hamburg als auch in der breiten Öffentlichkeit gestoßen ist.
Die insgesamt 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BMDA haben sich als selbstverständliche und zugewandte Ansprechpartner bei allen offenen Fragestellungen der Hamburgerinnen und Hamburger zu polizeilichem Handeln etabliert und sich mit hoher Motivation der aktiven Konfliktaufarbeitung angenommen, um Vorwürfen polizeilichen Fehlverhaltens proaktiv und nachhaltig zu begegnen.
Im Berichtszeitraum vom 1. März 2021 bis zum 28. Februar 2022 registrierte die Beschwerdestelle insgesamt 1.249 Beschwerden. Darüber hinaus gingen im Berichtszeitraum 14 interne Hinweise durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei Hamburg ein. Im Vergleich dazu wurde in den Kalenderjahren 2019 und 2020 jeweils nur eine interne Beschwerde bekannt. Dies verdeutlicht einmal mehr die Akzeptanz der neuen Beschwerdestelle auch in den eigenen Reihen. Der weit überwiegende Teil der Eingänge erfolgte niedrigschwellig per E-Mail (805 Hinweise) sowie über das anonyme digitale Hinweisgebersystem (95 Hinweise). In der eigens in der Hamburger Innenstadt eingerichteten Außenstelle an der Mönckebergstraße 5 wurden 16 Hinweise aufgenommen.
1.082 Beschwerdeverfahren konnten im Berichtszeitraum bereits abgeschlossen werden, davon wurden abschließend 84 Beschwerden als berechtigt (7,8 Prozent), 116 als teilberechtigt (10,7 Prozent) und 673 als unberechtigt (62,2 Prozent) bewertet. Im gleichen Zeitraum rückte die Polizei Hamburg zu 503.870 Einsätzen aus. In Relation gesetzt, gingen zu 0,2 Prozent aller polizeilichen Einsätze im Betrachtungszeitraum Beschwerden ein, wovon wiederum 0,04 Prozent als berechtigt bzw. teilberechtigt eingestuft wurden.
Der Großteil der Beschwerden wird unter der Kategorie „Einsatzwahrnehmung“ erfasst. Im Kontext polizeilichen Handelns kam es demnach zu 578 Beschwerden, das entspricht rund 46,3 Prozent des Gesamtaufkommens. 172 Beschwerden stehen im direkten Zusammenhang mit der Einsatzbewältigung der Polizei im Kontext der Corona-Pandemie. Neben dem kommunikativen Verhalten der Polizistinnen und Polizisten am Einsatzort waren häufige Beschwerdegründe zu lange Wartezeiten bzw. ein empfundener Mangel an Objektivität. Ein weiterer ebenfalls hoher Anteil der Hauptbeschwerdegründe lässt sich im Verkehrssektor finden. Insbesondere die angespannte Park- und Baustellensituation, aber auch die Überwachung von Geschwindigkeitsverstößen waren Anlass der Kritik.
Als Konsequenz wurden im Zuge der Bearbeitung der als berechtigt oder teilberechtigt eingestuften Beschwerden 151 Sensibilisierungs- oder Kritikgespräche mit den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geführt. In zwei Fällen wurde die betreffende Person zu der Teilnahme an einer themenspezifischen Fortbildungsveranstaltung verpflichtet. In drei Fällen wurde die Teilnahme an einem Dienstunterricht vorgegeben. In einem Fall erfolgte eine Umsetzung. In zehn Fällen wurden weitere Ermittlungen eingeleitet.
Das Beschwerdemanagement und Disziplinarangelegenheiten (BMDA)
Am 1. März 2021 hat die neu konzeptionierte und neu aufgestellte Dienststelle Beschwerdemanagement und Disziplinarangelegenheiten (BMDA) der Polizei Hamburg ihre Arbeit aufgenommen. Das Team des BMDA setzt sich aus Polizeikräften und sozialwissenschaftlichen Fachkräften zusammen. Bei der Neubesetzung wurde darauf geachtet, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zudem über besondere Kenntnisse in den Bereichen Diversität, Rassismus und Radikalisierung verfügen sowie Erfahrungen im Umgang mit Konflikten besitzen.
Wird eine Beschwerde telefonisch, postalisch, digital oder persönlich beim BMDA oder bei einer anderen Polizeidienststelle eingereicht, so wird diese zunächst im Hinblick auf eine mögliche straf- oder disziplinarrechtliche Relevanz geprüft. Es wird versucht, innerhalb von 48 Stunden – in den meisten Fällen gelingt dies deutlich schneller – einen persönlichen Kontakt zu der betroffenen Person aufzubauen, die die Beschwerde eingereicht hat. Sofern es sich um einen Straftatbestand handelt, wird der Sachverhalt an das zuständige Dezernat Interne Ermittlungen (DIE) zur weiteren Bearbeitung weitergegeben.
Die beim BMDA anfallenden und erarbeiteten Informationen werden systematisiert aufbereitet, um bei wiederkehrenden Konfliktkonstellationen frühzeitig gegensteuern zu können. Die gewonnenen Erkenntnisse werden nicht nur intern genutzt, sondern auch für vertiefende Untersuchungen der Wissenschaft zur Verfügung gestellt. Die wissenschaftliche Begleitung soll auch wertvolle Hinweise für die gezielte Verbesserung von Aus- und Fortbildungsangeboten liefern.
Die Beschwerdebearbeitung soll so zu einem eigenständigen Instrument der Qualitätssicherung der Polizei entwickelt werden, mit dem frühzeitig strukturelle Fehlentwicklungen erkannt und Gegenmaßnahmen konzipiert und umgesetzt werden können. Die Polizei Hamburg verfolgt dabei den eigenen Anspruch, mit Kritik und Vorwürfen an polizeilichem Handeln aktiv und lernorientiert umzugehen und wo notwendig, Lehren zu ziehen und konkrete Maßnahmen einzuleiten. Umgekehrt können Polizistinnen und Polizisten, die in vielen Fällen zu Unrecht beschuldigt werden, frühzeitig von Vorwürfen entlastet werden.
Innensenator Andy Grote: „Mit der Neuaufstellung der Beschwerdestelle ist es gelungen, Verständnis für polizeiliches Handeln und das Vertrauen in die Arbeit unserer Polizistinnen und Polizisten insgesamt zu stärken. Die Zahlen zeigen, wie gut die neue Beschwerdestelle schon heute angenommen wird. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen mit großer Motivation und Sorgfalt jedem Hinweis nach und sind direkt und persönlich für Anliegen der Hamburgerinnen und Hamburger, aber auch für Hinweise aus den eigenen Reihen ansprechbar. Das ist eine ganz neue Stufe des Qualitätsmanagements, mit dem die Polizei ihre Reaktionsfähigkeit stärkt und so in der Lage ist, auf Kritik schnell und umfassend zu reagieren.“
Polizeipräsident Ralf Martin Meyer: „Wir haben unseren Umgang mit Beschwerden modernisiert und eine Institution geschaffen, die mit ihrer schnellen Reaktion Maßstäbe setzt und die emotionalen Bedürfnisse mitberücksichtigt. Wir verstehen Beschwerden als Teil einer positiv gelebten Fehlerkultur. Das Signal ist klar: Kritik stößt bei uns auf offene Ohren und wir gehen damit sehr professionell und transparent um.“
Dienststellenleiter Ulf Bettermann-Jennes: „Der Aufbauprozess war eine große Herausforderung, aber das Ergebnis zeigt, dass es sich gelohnt hat. Mit unseren weitreichenden Kompetenzen sind wir in der Lage, die gemeldeten Fälle konsequent und umfassend zu überprüfen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit unserer Arbeit einen Beitrag für einen authentischen, auf Erklärung, Verständnis und Ausgleich beruhenden Umgang mit Beschwerden leisten.“