Lange wurde ADHS, die Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung, als Krankheitsbild von Kindern und Jugendlichen eingestuft. Heute weiß man, dass ADHS das tägliche Leben auch vieler Erwachsener beeinflussen und andere psychische Erkrankungen nach sich ziehen kann. In Deutschland sind Schätzungen zufolge mehr als zwei Millionen Erwachsene von ADHS betroffen, oft mit gravierenden Folgen. Doch es gibt Hilfe.
Im Alltag sind sie unkonzentriert, bei der Arbeit versinken sie im Chaos, vergessen Termine, reagieren häufig überschießend emotional und unkontrolliert. Soziale Kontakte sind entsprechend gefährdet, Partnerschaften zerbrechen. „Es geht nicht um ein bisschen Unruhe’“, so der ADHS Experte Dr. med. Lothar Imhof aus Ahrensburg: „In der Praxis wird ADHS bei Erwachsenen häufig überlagert durch weitere psychische Leiden. Man schätzt bei 40% der Betroffenen eine depressive Belastung, bei 20% eine Angststörung und bei etwa 35% ist es nur sehr schwer von anderen ernsthaften Persönlichkeitsstörungen abzugrenzen“. Dass bis zu 80% der im Kindesalter Betroffenen auch als Erwachsene noch an der Erkrankung leiden, gilt in Fachkreisen heute als unbestritten. Bei ihnen ist in bestimmten Hirnregionen der Botenstoff Dopamin nicht ausreichend vorhanden, was zu Störungen bei der Weiterleitung von Nervenreizen führt.
Therapiemöglichkeiten
Besonders hilfreich für ADHS-Patienten ist ein strukturierter Alltag. Auch gezieltes Verhaltenstraining und psychologische Betreuung können Hilfestellung leisten. Als eine weitere wichtige Säule bei der ADHS-Behandlung gilt heute die medikamentöse Therapie. Seit mehreren Jahren steht mit Methylphenidat (MPH) ein auch für erwachsene Patienten zugelassener und entsprechend gut untersuchter Wirkstoff zur Verfügung, der die gestörte Dopamin-Regulation gezielt normalisieren kann. Dass die medikamentöse Therapie einer rein psychotherapeutischen Behandlung deutlich überlegen ist, zeigt eine aktuelle, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützte, pharmaunabhängige Studie1 der Universitätsklinik Freiburg. Nach etwa drei Monaten zeigte sich bei 75% der mit Methylphenidat behandelten erwachsenen ADHS-Patienten eine so deutliche Verbesserung des Gesamtzustandes, dass auch Ärzte, die bisher einer medikamentösen Therapie gegenüber eher kritisch eingestellt waren, heute von deren Nutzen überzeugt sind. “Konsequent diagnostiziert und entsprechend therapiert könnte das Leiden vieler Betroffener nachhaltig gelindert werden“, so das Fazit von Dr. Imhof. Sein Rat: Wer sich in den beschriebenen Symptomen wiederfindet, sollte sich bei einem Arzt seines Vertrauens auf eventuelles ADHS untersuchen zu lassen. Dieser Gang könnte der Beginn eines völlig neuen Lebensgefühls sein. (Anzeige)
1) Philipsen Alexandra, et. al. Effects of Group Psychotherapy, Individual Counseling, Methylphenidate, and Placebo in the Treatment of Adult Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder. A Randomized Clinical Trial. JAMA Psychiatry. 2015 Dec 1;72(12):1199-210. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2015.2146.